Microbiota intestinal e depressão

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Nervenarzt 2016 · 87:1227–1240 DOI 10.1007/s00115-016-0230-x Online publiziert: 27. Oktober 2016 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016

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3 Punkte sammeln auf CME.SpringerMedizin.de Teilnahmemöglichkeiten Die Teilnahme an diesem zertifizierten Kurs ist für 12 Monate auf CME.SpringerMedizin.de möglich. Den genauen Teilnahmeschluss erfahren Sie dort. Teilnehmen können Sie: – als Abonnent dieser Fachzeitschrift, – als e.Med-Abonnent.

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CME Zertifizierte Fortbildung A. Manook1 · A. Hiergeist2 · R. Rupprecht1 · T. C. Baghai1 1

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland 2 Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland

Dickdarmmikrobiom und Depression Die andere Seite unseres Selbst Zusammenfassung Die ökologische Mikrobiologie und ihr Bestreben, ganze Lebensräume genetisch zu beschreiben, brachte leistungsstarke Werkzeuge hervor, welche seit gut zehn Jahren ausreichend günstig, schnell und praktikabel sind, um auch die taxonomisch-quantitative Charakterisierung des menschlichen Dickdarmmikrobioms zu beginnen. Dies ermöglichte einen großen Schritt in der Erforschung der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse und ihrer teils transgenerationalen Einflüsse auf die Gesundheit des Menschen; sie beschreibt ein komplexes multisystemisches und multidirektionales Wechselwirkungsgeschehen zwischen Gehirn und Darm. Gnotobiotische Tiermodelle sind für gezielte Verständnisfragen dabei essenziell. In Verbindung mit der neuroendokrinen Stresshormonachse sowie den verschiedensten Entzündungsabläufen gibt es erste Erkenntnisse zur Rolle der MikrobiotaDarm-Hirn-Achse bei depressiven Erkrankungen. Zu therapeutischen Ansätzen mittels Psychobiotika existieren bisher noch keine Ergebnisse aus klinischen Studien.

Schlüsselwörter Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse · Translationale Metagenomik · Hypothalamus-Hypophyse-Nebenniere-Achse · Funktionelle Bildgebung · Psychobiotika

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CME Lernziele Mit der Lektüre dieses Beitrags haben Sie die Möglichkeit, sich zu Folgendem zu informieren: 4 Konzepte der ökologischen Mikrobiologie für das Habitat Dickdarmmikrobiom 4 Bedeutung gnotobiotischer bzw. keimfreier Tiermodelle für die Mikrobiomforschung 4 Erkenntnisse zur Bedeutung des Dickdarmmikrobioms bei depressiven Störungen 4 methodische Abläufe einer Dickdarmmikrobiomanalyse 4 Ansätze zur therapeutischen Modulation des Dickdarmmikrobioms

Hintergrund

Das gesamte genetische Material der Mikrobiota auf sämtlichen Oberflächen unseres Körpers wird als Mikrobiom bezeichnet

Einflüsse entlang der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse wirken in beide Richtungen

Der einzelne Mensch ist mit sich selbst nicht mehr allein. Nehmen Sie die Erdbevölkerung mal zehntausend: Das Ergebnis entspricht grob der geschätzten Zahl von Einzellebewesen oder Mikrobiota am und im menschlichen Körper – man nennt gerne die Zahl Hundert Billionen [1]. Diese andere Welt unseres Seins entwickelt sich mit uns von Geburt an innerhalb der ersten Jahre und wird mittlerweile nicht mehr nur als Schutzfilm oder Verdauungshelfer gesehen, sondern als integrales Wechselwirkungsgeflecht, mit welchem der Mensch – wie viele andere Lebewesen auch – sich gegenseitig bedingt [2, 3]. Der Mensch hat sich mit dieser neuen Sichtweise zum Superorganismus erhöht, bzw. zum Holobionten, einer langfristigen körperlichen Verbindung verschiedener Lebewesen [4]. Das gesamte genetische Material dieses anderen Lebens auf den Oberflächen unseres Körpers wird als Mikrobiom bezeichnet, dessen genetische Vielfalt den Menschen um ein Mehrfaches überragt [5] und das humane Genom damit zum kleineren Teil eines Hologenoms werden lässt – das System Mensch ist einen bedeutenden Schritt hol-istischer und komplexer geworden. Das Konzept der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse ist mittlerweile international etabliert, im englischen Sprachgebrauch gerne MGB-Achse genannt („microbiota-gut-brain-axis“). Es beschreibt nicht nur ein anatomisches Kommunikationsnetz zwischen Darm und Hirn mittels peripherem, enteralem und zentralem Nervensystem, sondern auch humorale, also z. B. metabolische, inflammatorische und neuroendokrine Verbindungswege, die bereits die Hirnentwicklung mitsteuern und an der Synthese endogener psychotroper Substanzen und Rezeptoren mitwirken. Betonenswert ist dabei die Wirkung dieser Achse in beide Richtungen, also: Die Welt der Mikroben

Gut microbiome and major depressive disorder. The other side of ourselves Abstract Microbiological ecology and its ambition to describe the complete genome of complex living communities as a whole, have given us powerful tools to characterize the human gut microbiome on a genetic and, hence, taxonomic and abundance level; for a decade now, they have become sufficiently inexpensive, fast and feasible. Thus, opportunities arose to have a fresh and closer look at the microbiota-gut-brain-axis and its impact on human health; this axis comprises a complex multisystemic network of multidirectional interactions between brain and gut including influences beyond one generation. Gnotobiotic animal models have become essential for specific research targets. Combining gut microbiome analysis with observations on the hypothalamus-pituitaryadrenal axis and various aspects of inflammation helped to gain first insights into the role of the microbiota-gut-brain-axis in depressive disorders. Therapeutic endeavors with psychobiotics have not yet shown their value in clinical studies.

Keywords Microbiota-gut-brain-axis · Translational metagenomics · Hypothalamo-hypophyseal system · Functional imaging · Psychobiotics

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CME beeinflusst uns, aber auch wir beeinflussen sie mit unserer Lebensweise. Übergänge von gesunder Homöostase in Pathologien unterschiedlichster Störungsbilder sind vermutlich fließend, teils vererbt und hoch komplex. Dies macht die Forschung in diesem Bereich besonders spannend und herausfordernd, verlockt aber auch, Kaleidoskope an Hypothesen aufzustellen, welchen ein wissenschaftliches Fundament bislang noch fehlt.

Geschichtliches Antoni van Leeuwenhoek gilt mit seinen umfassenden lichtmikroskopischen Beobachtungen als einer der Väter der Mikrobiologie. Er war vermutlich der Erste, der die Beschreibung von Bakterien in menschlichem Exkrement 1683 veröffentlichte [6]. Es dauerte dann 200 Jahre bis der Pädiater Theodor Escherich 1885 eine erste Bakterienspezies des Darms, das Bacterium coli commune, identifizierte [7] kurz nachdem Hans Christian Gram die nach ihm benannte Färbetechnik für Bakterien veröffentlicht hatte [8]. Heute weiß man, dass das leicht im Labor zu kultivierende, aerobe E. coli lediglich einen sehr kleinen Teil der Dickdarmmikroben ausmacht [9] und der größere Teil aufgrund seiner Unkultivierbarkeit im Labor bisher im Dunkel der Erkenntnis blieb. EinrevolutionärerWandel ging mitderEinführung DNA-basierter Messmethoden in den1980er Jahren einher, die sich Anfang der 2000er zu praktikablen Hochdurchsatz- bzw. „Next-generation“Sequenzierungsverfahren (NGS) weiterentwickelten [10]. Mit der Verfügbarkeit dieser Werkzeuge wurden große europäische [1] und US-amerikanische [11] Forschungskonsortien ins Leben gerufen, um das Mikrobiom des Menschen rigoros zu charakterisieren. Der Begriff Mikrobiom wird häufig auf den Medizin-Nobelpreisträger Joshua Lederberg zurückgeführt [12, 13]. Wenn es um die ersten dokumentierten, strukturierten Beobachtungen zur Darm-Hirn-Achse geht, wird gerne der Militärchirurg William Beaumont genannt [14]. Sein Patient, Alexis St. Martin, entwickelte eine dauerhafte äußere Magenfistel nach einer Schussverletzung, sodass Beaumont die Absonderung von Magensäften, unter anderem in Abhängigkeit von der emotionalen Erregung seines Patienten, über mehrere Jahre beobachten konnte [15]. William James und Carl Lange entwickelten zur Darm-Hirn-Achse ein erstes wissenschaftliches Gerüst [16]. In James’ Arbeit lassen sich dann so schöne Sätze lesen wie: „A purely disembodied human emotion is a nonentity“ [17].

Theodor Escherich identifizierte 1885 eine erste Bakterienspezies des Darms, das Bacterium coli commune

William James und Carl Lange entwickelten zur Darm-Hirn-Achse ein erstes wissenschaftliches Gerüst

Die Nadel im Haufen: translationale Metagenomik Herausforderungen in der Dickdarmmikrobiomforschung Das gemeinschaftliche Genom allen Lebens innerhalb eines abgrenzbaren Lebensraumes, z. B. einem Fischweiher in Ihrem Garten oder unserem Dickdarmmikrobiom, bezeichnet man als Metagenom [18]. Wenn man sich dann fragt, welche Auswirkungen unterschiedliche Zusammensetzungen in dieser ökologischen Lebensgemeinschaft auf die Umwelt haben könnten, z. B. was es braucht, damit der Weiher nicht kippt, warum Sie im Gegensatz zu Ihrem Nachbarn an diesem Weiher nie von Mücken gestochen werden [19], und was für ein Mikrobiom den Menschen gesund hält, ist man in der translationalen Metagenomik gelandet. Forscher benötigen bekannte und stabile Referenzrahmen, innerhalb welcher sie ihre Fragen verlässlich beantworten können. Obwohl das Mikrobiom des menschlichen Dickdarms heute als eines der am besten untersuchten Mikrobiome gilt [20], lassen sich nur daraus noch keine klaren Aussagen zu Zusammenhängen mit der menschlichen Psyche ableiten. Dies hat verschiedene Gründe: Erstens, das Dickdarmmikrobiom verhält sich hochdynamisch und kann sich innerhalb von Stunden verändern, entweder weil der Mensch seine Lebensgewohnheiten oder Ernährungsplan umgestellt hat [21], kürzlich erkrankte oder neue Ergänzungsmittel bzw. Medikamente einnimmt. Zweitens, jeder Mensch trägt sein eigenes, für ihn spezifisches, einzigartiges Mikrobiom, was direkte Vergleiche erschwert; konzeptuelle Lösungsansätze wie die Definition von Enterotypen [22] – ähnlich den Blutgruppenprofilen –, haben sich bisher nicht etabliert.

Das gemeinschaftliche Genom allen Lebens innerhalb eines abgrenzbaren Lebensraumes bezeichnet man als Metagenom

Das Dickdarmmikrobiom verhält sich hochdynamisch und kann sich innerhalb von Stunden verändern Jeder Mensch trägt sein eigenes, für ihn spezifisches, einzigartiges Mikrobiom

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CME Drittens, die normalen Mikrobiome verschiedener Spezies, z. B. von Maus und Mensch, unterscheiden sich deutlich, sodass präklinische Forschungsergebnisse nur mit großer Vorsicht auf den Menschen übertragen werden können. Viertens, sämtliche methodische Aspekte im Arbeitsablauf einer Mikrobiomanalyse – von der Aufbereitung einer Stuhlprobe bis zur bioinformationstechnischen Verarbeitung der Daten – unterliegen bedeutenden Fehlermöglichkeiten und sind bisher weder international noch national standardisiert [23], sodass Ergebnisse im besten Fall innerhalb eines Labors, aber nicht untereinander vergleichbar sind.

Gnotobioten als Forschungsmodell Gnotobioten sind Tiermodelle, bei denen das Mikrobiom experimentell klar definiert wurde

GF-Tiere unterscheiden sich in vielen Bereichen von ihren Artgenossen mit Mikrobiom

Ein Anker zur Lösung einiger dieser Herausforderungen stellen Labortiere dar, bei welchen das Mikrobiom experimentell klar definiert wurde, dadurch mehr oder weniger bekannt ist [24] und somit kontrolliert manipuliert werden kann, z. B. durch Kontamination mit fremden Dickdarmmikrobiota, um spezifischen Bakterien-Wirts-Beziehungen auf den Grund gehen zu können. Solche Tiermodelle nennt man dann Gnotobioten. Dazu zählen auch sog. SPF-Tiere („specific pathogen free“), wie sie in vielen experimentellen Tierhaltungen üblich sind und bei denen sichergestellt ist, dass ein definiertes Spektrum möglicher pathogener Mikrobiota nicht vorkommt. Eine wichtige Extremvariante von Gnotobioten sind keimfreie oder GF-Tiere („germ free“), die im besten Fall vollständig steril sind. Vermutlich war es Henry Tissier, der um 1900 das Dogma der Kinderheilkunde begründete, der Mensch wachse steril im Leib der Mutter heran und bekomme erst während des Geburtsvorgang ersten Kontakt mit Mikroben der mütterlichen Vaginalflora [25]. Dieses Dogma weicht sich seit Beginn dieses Jahrtausends auf [26] und mittlerweile weiß man, dass selbst die Plazenta ihr eigenes Mikrobiom trägt [27] und der Fötus schon sehr früh von der mikrobiellen Umwelt geprägt wird [28]. Dennoch taugt das Dogma weiterhin zur Herstellung keimfreier Tiere, indem dem Muttertier die Gebärmutter mit den noch ungeborenen Tierföten entnommen und äußerlich sterilisiert wird, damit die Föten danach unter sterilen Bedingungen aufgezogen werden können. Es zeigte sich bald [29], dass diese Tiere sich in vielen Bereichen von ihren Artgenossen mit Mikrobiom unterschieden.

Richtungsweisende Forschungsergebnisse Forscher auf dem Gebiet des Dickdarmmikrobioms scherzen gerne, dass es in ihrer Wissenschaftsliteratur nur ein Promille an Originalarbeiten gäbe und der Rest aus Übersichtsartikeln, Sekundärmeinungen und Kommentaren bestünde – vermutlich ein Ausdruck des populären Interesses und der hohen Komplexität des Forschungsfelds. Im Folgenden stellen wir Ihnen Ergebnisse aus einem guten Dutzend Originalarbeiten vor, die richtungsweisend für das weitere Verständnis des Dickdarmmikrobioms im Kontext Depression sein könnten.

Transgenerationale Einflüsse und Hirnentwicklung Die erste Stuhlabgabe frühgeborener Kinder zeigt bereits ein ausgeprägtes Dickdarmmikrobiom

Keimfreie Tiere zeigen eine größere motorische Aktivität, stärkeres Erkundungsverhalten und deutlich weniger Angst

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Untersuchungen der ersten Stuhlabgabe (Mekonium) frühgeborener Kinder von Mshvildadze et al. zeigten bereits ein ausgeprägtes Mikrobiom, was nach dem Dogma von Tissier nicht erwartet worden war [30]. Finnische Kollegen gingen 2012 den nächsten Schritt und zeigten die Ergebnisse einer randomisierten, doppelt-verblindeten und placebokontrollierten Studie, bei der sie schwangeren Frauen, die einen Kaiserschnitt geplant hatten, zwei Wochen lang bis zur Entbindung Bifidobacterium gegeben hatten [28] und sich dies auffällig in Genexpressionsmustern („Toll-likereceptor“[TLR]-Gene) des kindlichen Mekoniummikrobioms ausdrückte. Eine sehr ausgeklügelte transgenerationale Studie wurde kürzlich an Mäusen von Buffington et al. durchgeführt [31] – hier erzeugte man mütterliche Fettleibigkeit und fand ein verändertes Dickdarmmikrobiom sowie gestörtes Sozialverhalten der Nachkommen. Im Jahr 2011 wurden drei unabhängige Arbeiten mit keimfreien (GF-)Mäusen veröffentlicht [32–34], deren Ergebnisse sich teils deckten und allesamt konsistent waren: Keimfreie Tiere zeigten eine größere motorische Aktivität, stärkeres Erkundungsverhalten und deutlich weniger Angst als ihre SPF-Genossen. Nachdem man den GF-Tieren ein normales Mikrobiom verabreicht hatte und sie damit zu sog. konventionalisierten Tieren wurden, verbesserte sich bei den erwachsenen

CME Ex-GF-Tieren nichts mehr, aber ihre Kinder wurden normal, was auf die Existenz vulnerabler Phasen für die Hirnentwicklung während des Aufbaus eines Mikrobioms hinwies. Damit einhergehend waren Gen- und Proteinexpressionsmuster im Hirn der GF-Tiere deutlich verändert [33]; dazu zählten reduzierter BDNF(„brain-derived neurotrophic factor“) in Hippokampus und Amygdala [32, 33] und erhöhtes Synaptophysin im Striatum [33] – dies könnte bedeuten, dass Mikrobiota die Synaptogenese mitregulieren, zudem werden neurotrophen Stoffen wie BDNF antidepressive Effekte zugeschrieben [35]. Stilling et al., aus der irischen Forschungsgruppe um John Cryan, setzten diese Arbeit fort, indem sie das gesamte Genexpressionsmuster der Amygdala von GF-Tieren untersuchten, mit dem veränderten Verhalten korrelierten [36] und eine neuronale Hyperaktivität der Amygdala keimfreier Tiere feststellten. Ogbonnaya et al. ergänzten dies mit der Beobachtung, dass adulte Neurogenese im Hippokampus von GF-Tieren deutlich erhöht ist [37]. Damit stellten sie auch eine Verbindung zu Störungen aus dem Autismusspektrum her; von diesen kannte man schon seit längerem assoziierte erhöhte Reizdarmhäufigkeiten und Darmwanddurchlässigkeit [38].

Während des Aufbaus eines Mikrobioms existieren vulnerable Phasen für die Hirnentwicklung

Bei keimfreien Tieren konnte eine neuronale Hyperaktivität der Amygdala festgestellt werden

Angst, Stress und Entzündung Die Exploration psychosozialer Belastungsfaktoren bei einem Patienten mit depressivem Syndrom gehört zum Alltag vieler Ärzte in der ganzen Welt. Komplexer sozialer Stress gilt als ein Risikofaktor für depressive Störungen und auch diffuse systemische Entzündungsgeschehen scheinen beteiligt zu sein [39]. Ein wichtiger stressbezogener neuroendokriner Regelkreis ist die HPA-Achse („hypothalamus-pituitary-adrenal axis“), also einer Stresshormonachse von Hypothalamus über Hirnanhangsdrüse zur Nebennierenrinde, die hauptsächlich über die Hormone CRH („corticotropin releasing hormone“), ACTH („adrenocorticotropic hormone“) und Kortisol reguliert wird. Die Beobachtung der HPA-Achse ist dabei nicht nur aufgrund ihrer gesteigerten Aktivität bei vielen depressiven Patienten interessant [40], sondern auch im Kontext des Dickdarmmikrobioms [16], da sie eine von zwei Achsen des autonomen Nervensystems ist und damit einen Teil der Wechselwirkungen entlang der MGB-Achse zeigt. Noch vor den heute möglichen Mikrobiomanalysen beobachteten Michael Bailey und Kollegen 1999 die mikrobielle Darmflora junger Rhesusaffen [41], die nach der Trennung von der Mutter in Gruppen oder einzeln, also chronisch gestresst, gehalten wurden und stellten bei den einzeln gehaltenen Tieren deutliche Veränderungen des Mikrobioms fest. Eine japanische Arbeit wird gerne als eine der bekannteren und ersten stressassoziierten Mikrobiomstudien [42] genannt. Keimfreie Mäuse zeigten eine überschießende Reaktion der HPA-Achse wie man sie von depressiven Störungen im Menschen kennt. Dieser Phänotyp ließ sich mittels Transplantation von SPFDarmflora normalisieren, allerdings nur, wenn die Tiere jung genug waren. Zehn Jahre später bestätigte eine französische Arbeitsgruppe in einer ähnlichen Studie [43] die Ergebnisse mit GF-Ratten und fand bei diesen im Gegensatz zu weiter oben genannten Arbeiten ein stärkeres Angstverhalten der GF-Tiere. Michael Bailey et al. fanden über zehn Jahre später [44] in gestressten Mäusen erhöhte entzündungsvermittelnde Zytokine bzw. Chemokine wie Interleukin-6 und CCL-2/MCP-1 („monocyte chemoattractant protein“) und damit sich vermindernde Bakteriengattungen im Dickdarm. Interleukin-1ß gilt als ebenso wichtiges Zytokin in Verbindung mit depressiven Störungen und Stress. Es wird im Rahmen des Inflammasomkomplexes von Caspase-1 aktiviert. Wong et al. untersuchten kürzlich die Hemmung dieser Inflammasomsignaltransduktion mit Caspase-1-KnockoutMäusen [45] und zeigten eine Verminderung ihres depressions- und angstartigen Verhaltens, welches mit einer deutlichen Veränderung ihres Dickdarmmikrobioms einherging. Andererseits zeigten Zheng et al., dass sich depressionsartiges Verhalten in GF-Tieren provozieren lässt, indem man diesen Tieren das Dickdarmmikrobiom aus depressiven Menschen transplantiert [46]. Diese ungewöhnliche Transspeziesbeobachtung bestätigte einerseits, dass das Dickdarmmikrobiom depressiver Menschen deutlich verändert ist [47], andererseits auch direkt depressionsverursachend sein kann. Dies ließ die Forscher ein Konzept der Depressionsmikrobioten postulieren.

Ein wichtiger stressbezogener neuroendokriner Regelkreis ist die HPA-Achse

Keimfreie Mäuse zeigen eine überschießende Reaktion der HPA-Achse

Die Hemmung der Inflammasomsignaltransduktion vermindert depressions- und angstartiges Verhalten

Dickdarmmikobiom und Neurobildgebung Die funktionelle Bildgebung des Gehirns hat, wie das Dickdarmmikrobiom, für viele Forscher und Laien hohe Attraktivität. Daher wirkt es umso interessanter, dass bisher nur wenige Verbindungen dieser beiden Trendforschungsfelder existieren. So scheint nach unserem Kenntnisstand Der Nervenarzt 11 · 2016

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Blautia Shigella

OTUs, Taxonomie

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c

PCR-Amplifikation

d

16S rDNA

HochdurchsatzSequenzierung

variable Regionen V4 V5 V3 16S rRNA Amplicon Bibliothek

Abb. 1 8 Zwei Studienpopulationen (z.B. Depressive und Gesunde) sollen auf Unterschiede im Dickdarmmikrobiom untersucht werden. a Bei Probennahme sollte zunächst auf kontaminationsarmes, zügiges und genomerhaltendes Vorgehen geachtet werden, damit anschließend b die metagenomische DNA aus den Stuhlproben extrahiert werden kann. Nach diesem Schritt werden c die bakteriellen 16S rRNA-Gene durch Amplifikation mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) vervielfältigt. Die PCR-Reaktion enthält dann eine Mischung von 16S rDNA-Molekülen, die repräsentativ für das Mikrobiom der Probe ist und dessen Profil in Menge und Vielfalt spiegelt. Die DNA-Sequenzen dieser 16S rDNA-Moleküle können dann d mittels Hochdurchsatzsequenzierungsverfahren (NGS) bestimmt werden. Nachdem die 16S rDNA-Moleküle e nach molekulargenetischer Ähnlichkeit in Verbünden (OTUs) geordnet sind, lassen sie sich f mit Referenzdatenbanken abgleichen, um die OTUs mit einer bakteriellen Taxonomie zu verknüpfen. Die relative Verteilung dieser Taxa in den Proben lässt sich dann g in Balkendiagrammen darstellen. Die Bakterienvielfalt innerhalb einer Stuhlprobe, also die sog. Alpha-Diversität, lässt sich mit unterschiedlichen Indizes beschreiben, hier beispielsweise h mit dem nach Simpson. Die Heterogenität bzw. Unähnlichkeit aller gemessenen Proben, also die sog. Beta-Diversität, wird graphisch gerne i mittels Hauptkoordinatenanalyse (PCoA) gezeigt

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CME die Arbeit von Kirsten Tillisch und Kollegen aus der Gruppe von Emeran Mayer an der University of California, Los Angeles (UCLA) aktuell die einzige zu sein, die mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (MRT) einen Zusammenhang zwischen Hirnaktivität (Konnektivität und emotionale Aufmerksamkeit) und Modulation des Mikrobioms mittels Einnahme probiotischer Kulturen bei gesunden Frauen herstellte [48]. Jane Foster schrieb unter anderem mit eben diesen Kollegen vor kurzem [49], dass Bestrebungen im Gange seien, Arbeiten ähnlich dem Human Connectome Project [50] mit Mikrobiomanalysen zu verbinden. Hier darf man also gespannt sein.

Bedeutende methodische Aspekte einer Mikrobiomanalyse Eschericha coli – ... und was noch? Es liegen 130 Jahre rasanter technologischer Entwicklung hinter uns, seitdem Theodor Escherich erstmals das nach ihm benannte Bakterium [7] aus dem Darm isolierte. Nachdem klar wurde, dass der menschliche Gastrointestinaltrakt eine weitestgehend sauerstofffreie Umgebung ist [51], vergingen fast hundert Jahre nach Escherich, bis Anfang der 1970er Jahre die Erforschung intestinaler Mikrobiota einen Aufschwung erfuhr. Es ist Pionierarbeiten wie der von Robert Edward Hungate zu verdanken, dass die Kultivierung von vielen anaerob wachsenden Mikroorganismen ermöglicht wurde. So wurden zu dieser Zeit Bakterien der Gattungen Bacteroides, Clostridium, Eubacterium, Veillonella, Ruminococcus, Bifidobacterium, Fusobacterium, Lactobacillus, Peptostreptococcus und Peptococcus als Hauptvertreter der Dickdarmmikrobiota identifiziert. Mit der weiteren Optimierung von Kultivierungsbedingungen kennt man heute etwa 1000 verschiedene Bakterienspezies, die den Gastrointestinaltrakt besiedeln [52]. Bei allen diesen Bemühungen blieb eine umfassende und insbesondere auch quantitative Analyse aller im Darm wohnenden Mikroorganismen ausschließlich mittels Kulturverfahren verhindert. Einer der Gründe hierfür ist die bisher nicht mögliche Anzucht einer großen Zahl von Spezies unter Laborbedingungen aufgrund komplexer Stoffwechselbeziehungen zwischen den Bakterienspezies.

Der menschliche Gastrointestinaltrakt ist eine weitestgehend sauerstofffreie Umgebung

Etwa 1000 verschiedene Bakterienspezies, die den Gastrointestinaltrakt besiedeln, sind bis heute bekannt

16S-rRNA-Gensequenzierung im Hochdurchsatzverfahren Ein wichtiger Wendepunkt für die Untersuchung der mikrobiellen Flora des Menschen war die Einführung von molekularbiologischen Techniken. Einer der entscheidenden Schritte zur kulturunabhängigen Identifizierung von Mikroorganismen aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften ist dabei das 1977 von Frederik Sanger publizierte Verfahren [53] zur DNA-Sequenzierung. Diese Methodik der ersten Generation wurde innerhalb der folgenden 30 Jahre zu sog. Verfahren der nächsten Generation (NGS) erweitert [10] und damit Räume neuer Möglichkeiten geschaffen. Das Grundprinzip dieser Hochdurchsatzsequenzierungsverfahren, wie es vor zehn Jahren von der Firma 454 Life Sciences (heute: Roche) zur Marktreife gebracht wurde, ist die Bestimmung von DNA-Sequenzen in hochparalleler Weise – in erster Linie durch Multiplikation der Sequenzierreaktionen in räumlich abgetrennten Reaktionsräumen. Dies kann technisch mit unterschiedlichen Materialien bewerkstelligt werden, z. B.: 4 durch Fixierung von DNA-Fragmenten an festen Oberflächen innerhalb einer Öl-WasserEmulsion (454 Pyrosequencing, Roche), 4 auf Glasoberflächen (Sequencing by Synthesis, Illumina) oder 4 durch Immobilisierung von DNA-Polymerasen in Mikroreaktionsräumen, welche wenige Zeptoliter (10–21 L) Volumen fassen (SMRT-Sequencing, Pacific Biosciences). Diese Werkzeuge zur millionenfach-gleichzeitigen Bestimmung von DNA-Sequenzen machten die kulturunabhängige Erfassung eines so komplexen Habitats wie das intestinale Mikrobiom erst möglich. Das aktuell häufigste Verfahren hierfür ist die Sequenzierung der bakteriellen 16S-r(ibosomalen) RNA-Gene. Die 16S-rRNA ist eine Komponente der (kleinen) 30S-Untereinheit bakterieller Ribosomen. Als essenzieller Bestandteil der Proteinbiosynthese-Maschinerie aller Bakterienzellen unterliegt sie einer vergleichsweise langsamen evolutionären Entwicklung. Die genetische Information des 16S-rRNA-Gens bleibt innerhalb einer Spezies also weitestgehend konstant, weshalb es im Jahr 1990 von Carl Richard Woese als universeller phylogenetischer Marker

Das Grundprinzip der Hochdurchsatzsequenzierungsverfahren ist die Bestimmung von DNA-Sequenzen in hochparalleler Weise

Das aktuell häufigste Verfahren ist die Sequenzierung der bakteriellen 16S-rRNA-Gene

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CME vorgeschlagen wurde. Solche konservierten Sequenzbereiche sind durch universelle Primer leicht fassbar – also Oligonukleotiden, die wiederum von DNA-replizierenden Enzymen als Startpunkte in einer PCR („polymerase chain reaction“) erkannt werden können. In diesen Sequenzbereichen der 16S-rRNA können sich, ganz im Gegensatz zu den variablen Genbereichen, auftretende Mutationen nicht durchsetzen, da sie maßgeblich für die Ausbildung der Sekundärstruktur des Moleküls und die Bindung an die Ribosomen sind. Die Analyse der DNA-Sequenz in den variablen Regionen, welche mit V1 bis V9 gekennzeichnet werden, eigenen sich deshalb zur Analyse von evolutionären Verwandtschaftsbeziehungen und zur Differenzierung, insbesondere von nah verwandten Spezies. Ein vollständiger schematischer Ablauf einer Mikrobiomanalyse ist in . Abb. 1 dargestellt.

Bioinformatik: Maße, Ergebnisse und Interpretationsmöglichkeiten

Gleiche bzw. ähnliche Sequenzabschnitte werden zu molekulargenetisch identifizierten Einheiten zusammengefasst

OTUs werden einer bakteriellen Taxonomie zugeordnet

Die Alpha-Diversität beschreibt die Mannigfaltigkeit innerhalb eines Habitats

Der DNA-Sequenzierung folgt eine höchst aufwendige bioinformationstechnische Auswertung der Sequenzdaten. Ein erster Schritt besteht in Datenreduktion, um im Rahmen der Rechenkapazität üblicher Laborrechner bleiben zu können: Gleiche bzw. ähnliche Sequenzabschnitte werden zu molekulargenetisch identifizierten Einheiten zusammengefasst, indem die Ähnlichkeit der DNA-Moleküle auf Sequenzebene verglichen wird. Ein zuvor festgelegter Schwellenwert, von z. B. 97 %, definiert die Zuordnung zu Verbünden, welche dann operative taxonomische Einheiten („operational taxonomic unit“, OTU) genannt werden. Heutige NGS-Verfahren sind typischerweise in der Lage, aus einer einzelnen humanen Stuhlprobe zwischen 500 und 1000 OTUs zu identifizieren [54]. Die Betrachtung der gesamten bakteriellen Vielfalt einer einzelnen Dickdarm-Probe erfordert etwa 20.000 bis 30.000 16S-rDNA-Sequenzen. Ein einziger NGS-Durchlauf sequenziert gleichzeitig millionenfach, sodass mehrere hundert Stuhlproben, also z. B. ganze Studienkohorten, auf einmal gemessen werden können – methodische Varianz wird damit reduziert und Vergleichbarkeit verlässlicher. OTUs lassen sich als eine auf die DNA-Sequenzebene übertragene Definition einer Spezies verstehen. Das nächste Ziel besteht somit in der konkreten Namensgebung der gemessenen OTUs, also der Zuordnung zu einer bakteriellen Taxonomie. Für diesen Abgleich gibt es öffentlich zugängliche Referenzdatenbanken. Ein Beispiel wäre die sog. SILVA-Datenbank, die aktuell insgesamt 1.756.783 solcher Referenzsequenzen enthält. Die Charakterisierung auf molekulargenetischer Ebene ist hiermit beendet und es beginnt die deskriptive Arbeit. Ein erstes und für uns alle nachvollziehbares Bild zur Zusammensetzung eines Dickdarmmikrobioms lässt sich mit Balkengrafiken herstellen. In diesen lassen sich die relativen Häufigkeiten der identifizierten Taxa auf unterschiedlichen taxonomischen Hierarchieebenen kodieren, also z. B. bei Phylum, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung oder Art. Diese einfachen Grafiken können im direkten Vergleich unterschiedlicher Proben zwar bereits erste Hinweise liefern, jedoch sagen sie noch nichts zur Reichhaltigkeit bzw. Vielfalt des Dickdarmmikrobioms aus. Genau diese ist aber höchst interessant, denn so, wie der Borkenkäfer in einer Fichtenmonokultur deutlich mehr Schaden anrichten wird als in einem diversen Mischwald, so wird ein diverses Dickdarmmikrobiom im Allgemeinen als stabiler und weniger anfällig auf Störeinflüsse gesehen. Die sog. Alpha-Diversität ist ein Maß für dieses Interesse und beschreibt die Mannigfaltigkeit innerhalb eines Habitats, also hier der Darmmikrobiota und wird durch Berechnung von Diversitätsindizes erfasst. Diese Parameter wurden von der Ökologie seit dem Zweiten Weltkrieg zur Beschreibung von Biodiversität in unterschiedlichen Habitaten entwickelt. Beispiele für solche Indizes wären der Simpson-Diversitätsindex oder der nach Shannon und Weaver.

Über Mischwald zum Dickdarm oder wie sich Unähnlichkeit darstellen lässt Die Beta-Diversität erfasst die Mannigfaltigkeit unterschiedlicher Habitate

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Die Beta-Diversität erfasst hingegen die Mannigfaltigkeit unterschiedlicher Habitate, also beispielsweise zwischen einzelnen Patienten einer Kohorte. Hier wird es inhaltlich spannend und etwas herausfordernd. Die mathematische Grundlage ist die Berechnung der Unähnlichkeit der untersuchten Proben mit der vorliegenden Information der Reichhaltigkeit einzelner OTUs im untersuchten Mikrobiom. Bekannte Maße hierfür sind unter anderem der aus der Ökologie bekannte Bray-Curtis-Index, der die Unterschiedlichkeit einer Gemeinschaft als Unähnlichkeitsmatrix beschreibt oder die UniFrac-Methode, die diese Beschreibung um phylogenetische Beziehungen der identifizierten Bakterien zueinander erweitert. Diese Unähnlichkeitsmatrizen sind hochdimensio-

CME nale und damit sehr abstrakte Vektorräume. Mit einem Mathematiker ließe sich ein mehrtausenddimensionaler Ergebnisraum, wie er bei Mikrobiomanalysen vorkommt, direkt diskutieren. Zur Veranschaulichung und graphischen Darstellung für den Nichtmathematiker wurden unterschiedliche Verfahren zur Dimensionsreduktion entwickelt, die im Kern auf Ähnlichkeitsstrukturanalysen bzw. multidimensionalen Skalierungsverfahren (MDS) basieren. Die Hauptkoordinatenanalyse („principal coordinate analysis“, PcoA) ist im Kontext Dickdarmmikrobiom das beliebteste Verfahren zur graphischen Darstellung. Ziel aller dieser Methoden ist die Reduktion der Komplexität und der Dimensionen auf graphisch darstellbare zwei oder drei Dimensionen. Die Distanz zweier Proben in einem Diagramm wird damit zum bildlichen Ausdruck ihrer mathematischen Unähnlichkeit im Sinne der Beta-Diversität. Besonders ähnliche Proben häufen sich also in räumlicher Nähe innerhalb des Diagramms. Dies kann helfen, Cluster in den Daten zu erkennen, die möglicherweise ein Bild dafür sind, dass sich Gruppen durch einen meist unbekannten Faktor voneinander unterscheiden. Mit dieser massiven Datenreduktion erhofft man sich dabei ein leichteres Verständnis des komplexen Habitat Dickdarm.

Ziel ist die Reduktion der Komplexität und der Dimensionen auf graphisch darstellbare zwei oder drei Dimensionen

Qualitätssicherung und internationale Vergleichbarkeit Der Weg zum vollständig analysierten Mikrobiotaprofil ist gepflastert mit Fehler- und Verzerrungsmöglichkeiten. Eine Standardisierung der Methodik ist im Sinne einer zukünftigen klinischen Diagnostik ebenso wichtig wie herausfordernd. Europaweit durchgeführte Ringversuche [23] haben gezeigt, dass die Vergleichbarkeit von Mikrobiotaprofilen in unterschiedlichen Laboratorien mit unterschiedlicher Analytik und Präanalytik im Moment noch nicht ausreichend sicher gestellt werden kann. Angefangen von der Probennahme und -konservierung bis zur Gewährleistung einer uniformen (mechanischen, enzymatischen, chemischen) Zelllyse von Bakterien mit unterschiedlichster Zellwandstruktur hat auch die Auswahl diskriminativer Bereiche der 16S-rDNA durch geeignete PCR-Primer einen signifikanten Einfluss auf die Differenzierbarkeit oder Detektierbarkeit von Bakterienspezies. Genauso beeinflussen die Wahl der Hochdurchsatzsequenzierplattform und der Algorithmen zur komplexen bioinformatischen Analyse sowie unterschiedliche 16S-rDNA-Datenbanken das Endergebnis.

Ringversuche haben gezeigt, dass die Vergleichbarkeit von Mikrobiotaprofilen nicht ausreichend gewährleistet werden kann

Therapeutische Ideen – aus alt mach neu Von Mutter zu Kind Die oben genannten transgenerationalen Erkenntnisse zum Mikrobiom setzten DominguezBello et al. kürzlich in einer Interventionsstudie um [55], indem sie die Kinder von Müttern, die einen Kaiserschnitt geplant hatten, direkt nach der Operation mit der mütterlichen Vaginalflüssigkeit inkubierten, um die physiologische Kontamination einer natürlichen Geburt zu simulieren. Sie konnten damit das Mikrobiom von Kaiserschnitt-Kindern natürlich Neugeborenen ähnlich machen. Wie sich dies auf die (psychische) Gesundheit dieser Kinder auswirken wird, bleibt abzuwarten. Weitere zukünftige Arbeiten könnten dann, z. B., den Austausch des Dickdarmmikrobioms von Kindern depressiver Mütter bedeuten.

Das Mikrobiom von KaiserschnittKindern kann durch mütterliche Vaginalflüssigkeit natürlich Neugeborenen ähnlich gemacht werden

Von Gelber Suppe bis FMT Die Idee, den Menschen mit einem alternativen Mikrobiom zu versehen, ist nicht neu. In der traditionellen chinesischen Medizin scheint diese Praxis schon mehrere tausend Jahre zu bestehen [56]. So hatte, z. B., der Arzt Ge Hong im vierten Jahrhundert ein Rezept für Gelbe Suppe, die er Patienten mit schweren Durchfällen gab. Heute würde man dieses Vorgehen mit FMT bezeichnen, für fäkale Mikrobiotatransplantation, und den Weg aus der anderen Richtung wählen, also beispielsweise per Koloneinlauf [57]. Bei entzündlichen Darmerkrankungen ist dieses Vorgehen mittlerweile nachgewiesen hilfreich. Depressive Störungen stellen eine starke Komorbidität dieses Krankheitsspektrums dar [58], sodass sich auch für diese ein hilfreicher Effekt der FMT vorstellen lässt – Nachweise stehen noch aus.

Bei entzündlichen Darmerkrankungen ist FMT nachgewiesen hilfreich

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CME Von bulgarischem Joghurt zum Psychobiotikum

Probiotika lindern depressionsartiges Verhalten im Tiermodell

Die bekannteste Intervention zur Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit ist die Einnahme von Probiotika, also unterschiedlichster, oft fermentierter Produkte, die lebende Mikroorganismen enthalten. Vermutlich ist dieses Vorgehen über zehntausende von Jahren ein Teil der Menschheitsgeschichte [59]. Ein bekannter Vertreter dieser Theorie und formale Namensgeber für Probiotika war der Anatom und Nobelpreisträger Ilija Metschnikow[60], der vor hundert Jahren zu einer Zeit lebte, als das Konzept der intestinalen Autointoxikation im Trend lag – er selbst trank wohl täglich Sauermilch. Neben gut begründeten Spekulationen für den Menschen [61] konnten Desbonnet et al. aus der oben genannten irischen Forschergruppe in einem Rattenmodell zeigen, dass Probiotika depressionsartiges Verhalten linderten [62]. In einer Übersichtsarbeit der gleichen Arbeitsgruppe wurde 2013 dann erstmals der Begriff Psychobiotikum geprägt [63], was man als Zusammenführung des Begriffs psychotrope Probiotika sehen könnte. Weiterführende Übersichtsarbeiten und Links zum Thema Mikrobiom. 4 Lesenswerte Übersichtsarbeiten: j Mikrobiomanalyse gut verständlich dargestellt: Morgan XC, Huttenhower C (2012) Chap-

ter 12: Human microbiome analysis. PLoS Comput Biol 8:e1002808 j Darm-Hirn-Achse in gesellschaftlichem Kontext: Montiel-Castro AJ, Gonzalez-Cervantes RM,

Bravo-Ruiseco G et al (2013) The microbiota-gut-brain-axis: neurobehavioral correlates, health and sociality. Front Integr Neurosci 7:70 j Neuroanatomische Verbindungen der Darm-Hirn-Achse mit guten Abbildungen: Mayer EA (2011) Gut feelings: the emerging biology of gut-brain communication. Nat Rev Neurosci 12:453–466 j Umfassende aktuelle Übersicht zum Thema „Hirn und Darm“: El Aidy S, Stilling R, Dinan TG et al (2016) Microbiome to Brain: Unravelling the Multidirectional Axes of Communication. Adv Exp Med Biol 874:301–336 4 Internationale und nationale Forschungprojekte: j The International Human Microbiome Consortium (http://www.human-microbiome.org) j Metagenomics of the Human Intestinal Tract (http://www.metahit.eu) j The NIH Human Microbiome Project (http://www.hmpdacc.org) j Verbund OptiMD im Forschungsnetz Psychische Erkrankungen (http://www.optimd.de)

Fazit für die Praxis 4 Das Darmmikrobiom spielt in der gesunden Physiologie und bei Erkrankungen des Menschen

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eine große Rolle. Das Bild des Menschen als Superorganismus bzw. Holobiont im Zusammenspiel mit seinem Mikrobiom ist mittlerweile etabliert. Hohe Biodiversität in Breite und Tiefe gilt als Qualitätskriterium eines gesundheitsfördernden Mikrobioms. Vulnerable Phasen beim Aufbau eines Mikrobioms in der frühen Entwicklung des Menschen haben große Bedeutung für spätere pathologische Verläufe. Es besteht Nachholbedarf bei Qualitätssicherung, Standardisierung und Validierung von Mikrobiom-Analysemethoden auf nationaler und internationaler Ebene als Grundlage für verlässliche Forschungsergebnisse. Gnotobioten nehmen eine Schlüsselstellung in der Mikrobiomforschung ein. Mit ihrer Hilfe konnten eindeutige erste Hinweise auf Verbindungen zwischen Dickdarmmikrobiom, HPAAchse und psychischer Gesundheit hergestellt werden. Verlässliche Ergebnisse zum Einfluss des menschlichen Dickdarmmikrobioms auf affektive Störungen liegen noch nicht vor.

CME Korrespondenzadresse Prof. Dr. T. C. Baghai Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Regensburg Universitätsstraße 84, 93053 Regensburg, Deutschland [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. A. Manook, A. Hiergeist, R. Rupprecht und T. C. Baghai geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.

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CME-Fragebogen Teilnahme am zertifizierten Kurs auf CME.SpringerMedizin.de - Der Teilnahmezeitraum beträgt 12 Monate, den Teilnahmeschluss finden Sie online beim CME-Kurs. - Fragen und Antworten werden in zufälliger Reihenfolge zusammengestellt. - Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort zutreffend. - Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen 70% der Fragen richtig beantwortet werden.

? Der Begriff Mikrobiom bezeichnet in ◯ ◯

◯ ◯ ◯

der Humanmedizin ... die Gesamtheit aller Bakterien im und am menschlichen Organismus. die Zusammensetzung sämtlicher Proteine aller kleinzelligen Lebewesen im Darm. das Genom der Mikroorganismen im menschlichen Körper. die Gesamtheit aller von Mikroorganismen transkribierten Gene. das mikrobiologische Populationsprofil im menschlichen Darm.



unterscheiden sich phänotypisch nicht von Tieren mit normaler Darmflora. ◯ zeigen im Tierexperiment stets ein verstärktes Angstverhalten.

? Welche Aussage über das transgene-





? Das bakterielle Mikrobiom des ◯

◯ ◯





menschlichen Dickdarms ... kann basierend auf der Zusammensetzung der Bakterienflora in vier verschiedene Gruppen (Enterotypen) eingeteilt werden. ist unabhängig von äußeren Einflüssen über die gesamte Lebenszeit stabil. ist bei Menschen gleichen Geschlechts, geographischen Ursprungs und ähnlicher Lebensgewohnheit identisch. ist mit den aus Tiermodellen gewonnenen mikrobiellen Profilen direkt vergleichbar. wird heute überwiegend mithilfe von Hochdurchsatzsequenzierverfahren analysiert.











◯ ◯





◯ ◯ ◯



bezeichnet eine „hypofunktionelle Peptococcus-Aktivität“ und eine damit einhergehende reduzierte bakterielle Biosynthese von Serotoninvorstufen im Darm. scheint mit der Inflammasomsignaltransduktion nichts zu tun zu haben. stellt eine entscheidende Komponente der gesamten Darm-Hirn-Achse dar. zeigt bei depressiven Menschen häufig eine vergleichsweise reduzierte Reaktivität. lässt sich durch therapeutische Stuhltransplantation nicht beeinflussen.

bakterielle 16S-ribosomale RNA eignet sich als universeller phylogenetischer Marker für die Mikrobiomanalytik, weil ... variable Bereiche in der 16S-rRNA-Gensequenz innerhalb einer Spezies weitestgehend konstant bleiben. die 16S-rRNA als essenzieller Bestandteil der bakteriellen Ribosomen im Genom von nahezu allen Bakterien kodiert ist. dessen kodierende DNA-Sequenz bei allen Bakterien gleich ist. sich evolutionär stabile DNA-Sequenzabschnitte (konservierte Bereiche) als Anlagerungspunkt für universelle Oligonukeotide zur anschließenden Vervielfältigung der DNA-Abschnitte durch PCR eignen. umfassende 16S-rRNA-Referenzdatenbanken existieren, die eine taxonomische Spezieszuordnung ermöglichen.

? Eine „operational taxonomic unit“ ◯

? Die HPA-Achse ...

? Keimfreie Tiere im gnotobiotischen Modell ... ◯ sind im Bereich der Mikrobiomforschung ein wichtiges Instrument zur Analyse von Bakterien-Wirts-Beziehungen. ◯ kommen nach Vaginalgeburt in keimfreier Umgebung steril zur Welt. ◯ werden nach der Geburt durch Breitbandantibiose von besiedelnden Mikroorganismen befreit.

rationale Bakterien-Wirts-Verhältnis trifft nicht zu? Pathologische Auswirkungen eines gestörten kindlichen Dickdarmmikrobioms scheinen sich nur innerhalb bestimmter vulnerabler Phasen korrigieren zu lassen. Die Erkenntnis von Henry Tissier über die Sterilität des Mutterbauchs hat bis heute vollständige Gültigkeit. Mütter beeinflussen das Dickdarmmikrobiom ihrer Neugeborenen durch ihre Ernährung während der Schwangerschaft. In der ersten Stuhlabgabe von Neugeborenen finden sich bereits zahlreiche Bakterienspezies. Dickdarmmikroben scheinen an unterschiedlichsten Aspekten der Hirnentwicklung beteiligt zu sein.

? Welche Aussage trifft nicht zu? Die

◯ ◯ ◯ ◯

(OTU) ist ... ein Hilfsmodell zur Übertragung der Definition bakterieller Spezies auf die DNASequenzebene. gleichzusetzen mit einer biologischen Spezies. eine Einheit zur Quantifizierung von Bakterien. immer aus einer einzelnen DNA-Sequenz abgeleitet. eine taxonomische Familie, bestehend aus unterschiedlichen Bakterienspezies.

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CME-Fragebogen

? Wenn die Proben aus zwei untersuch-







◯ ◯

ten Patientenkohorten (z. B. Gesunde vs. Kranke) im Diagramm der Hauptkoordinatenanaylse (PCoA) klar voneinander trennbar gruppiert sind, dann ... lassen sich beide Gruppen nicht vergleichen und das Experiment muss wiederholt werden. ist dies ein direkter Hinweis auf ein Ungleichgewicht im Wirtsstoffwechsels der kranken Patienten. unterscheiden sich die Mikrobiome der beiden Patientenkohorten basierend auf der Verteilung der identifizierten „operational taxonomic units“ (OTUs). besitzen alle Patienten innerhalb einer Kohorte eine ähnliche bakterielle Flora. lässt sich daraus leicht die Ursache der Unterschiedlichkeit der beiden Gruppen ableiten.

? Neben der FMT verspricht man sich











? Die fäkale Mikrobiotatransplantation ◯





◯ ◯

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(FMT) ... ist ein sehr modernes Verfahren zum Ausgleich von mikrobiotaassoziierter Dysbalance bei unterschiedlichsten Krankheitsbildern. bezeichnet den Austausch der fäkalen Mikrobiota eines Empfängers durch eine fäkale Spendermikrobiota. ist, belegt durch zahlreiche klinische Studien, zur Behandlung depressiver Störungen angezeigt. erfolgt heutzutage durch orale Zufuhr des Spendermikrobiota. beschreibt ein Verfahren, in dem die Empfängermikrobiota mit einer im Labor kultivierten und genau auf den Spender abgestimmten Mischung von Bakterienspezies ausgetauscht wird.

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auch vom Einsatz von Probiotika therapeutische Ansätze zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen. Welche der folgenden Aussagen ist richtig? Probiotika bestehen aus abgetöteten, nicht vermehrungsfähigen Bakterienzellen. Grundlage für die Wirksamkeit bilden die dort gebildeten Metabolite, die direkt als Neurotransmitter wirken. Der neologistische Begriff der Psychobiotika beschreibt die einflussnehmende Wirkung von Psychopharmaka auf das Dickdarmmikrobiom. In Tiermodellen zeigte sich nach Gabe von Probiotika eine Linderung depressionsartigen Verhaltens. Bisher gibt es keinen Hinweis für die Beeinflussung der bakteriellen Flora des Dickdarms durch Probiotika. Die Wirksamkeit von Probiotika konnte durch Tierversuchsstudien widerlegt werden.
Microbiota intestinal e depressão

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